Unsere Kirche hat Zukunft

Fürchte dich nicht, du kleine Herde!Lk 12,32

Unsere Kirche hat Zukunft!

Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist vorüber und landauf, landab sind Sorgen zu vernehmen, welcher Zukunft wir entgegen gehen. Das Weserbergland ist stark vom demographischen Wandel betroffen. Allein in den letzten drei Jahren hat der Landkreis Holzminden 2.700 Einwohner verloren. In den Kindertagesstätten und Schulen macht sich der dramatische Geburtenrückgang der letzten 10 Jahre bemerkbar. Kommunen, Vereine und Verbände spüren dies deutlich bei Mitgliederzahlen, Finanzen und ehrenamtlicher Betätigung.

Die Katholische wie die Evangelische Kirche sind von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Die Zahlen der Eheschließungen, Taufen, Erstkommunionen, Firmungen bzw. Konfirmationen liegen fast in jedem neuen Jahr unter den Daten des Vorjahres. Messdiener, ehrenamtliche Helfer bei Sternsingern usw. werden seltener. Aufgaben, die in den Kirchengemeinden früher wie selbstverständlich wahrgenommen wurden, bleiben liegen oder müssen bezahlt werden, weil die Kerngemeinde überaltert. Hinzu kommt ein Wegbrechen der Finanzen und in unserer katholischen Kirche ein ausgeprägter Priestermangel.
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Mit Wehmut betrachten insbesondere unsere älteren Gemeindemitglieder diese Entwicklung, die sich auch in den Gottesdienstbesuchszahlen niederschlagen. Kirche wird kleiner, gerät aus dem Blickfeld der öffentlichen Meinung und muss sich angesichts der benannten Probleme viel um sich selbst kümmern. Zweifel an der Zukunftsfähigkeit unserer Kirche werden laut. Braucht eine moderne Gesellschaft noch die Kirche? Brauchen die konkreten Menschen heute noch Kirche?

Nicht nur in Rom oder Hildesheim werden diese Fragen zu beantworten sein, sondern vor Ort in jeder Gemeinde sind wir gefordert, Antworten zu suchen. Und noch mehr: Wir müssen uns auch die Frage stellen lassen, was wir denn heute, 2000 Jahre nach Jesu Erdenleben, der Welt, unserer Stadt und unserer Region „anzubieten“, zu sagen  haben?!

Drei Aspekte seien beispielhaft benannt, die einerseits Herausforderung für unsere Kirche sind, andererseits aber auch Chancen für eine Zukunft von Kirche und Glaube beinhalten:

Kirche bedarf auf allen Feldern der Verkündigung, Liturgie und Diakonie des aktiven Mittuns der Gläubigen. Die „Versorgungskirche“ der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts ist tot. Auf lange Sicht werden die Priesterzahlen (und die Finanzen!) nicht mehr eine flächendeckende „Versorgung“ der Gemeinden und Kirchenglieder erlauben. Wir selbst haben diese Entwicklung erlebt, indem drei früher eigenständige Kirchengemeinden zu einer neuen Gemeinde zusammengelegt wurden, mit nur noch einem Priester, ohne Kaplan und ohne weitere hauptamtliche Kraft.

Künftig wird es Gemeinde nur noch dort geben, wo sich die gläubigen Laien zusam-mentun, ihre Befähigungen und Charismen einbringen und so lebendige Gemeinde darstellen.
Die Messfeier als zentraler Ort des Glaubensgeschehens und des Gemeindelebens kann uns nicht mehr „von oben“ garantiert werden. Es ist absehbar, dass es nicht mehr an jedem Wochenende in jeder Kirche eine Messfeier geben wird.

Andere Formen wie Wortgottesfeiern, Vespern und Gebetskreise müssen von uns selbst vor Ort gestaltet und angenommen werden. Die Zusage Jesu, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt seien, da sei er (uns somit auch sein Vater) mitten unter ihnen, bekommt so eine neue Bedeutung, ungeachtet der menschengemachten Kodices und Gesetze!

Missionarische Kirche ist das Stichwort. Die „Herde“ ist klein, manchmal verschwindet sie ganz aus dem Blickfeld der Umwelt. Aber überall dort, wo Gottes Wort erzählt, wo seine Taten gelobt und sein Segen erbeten wird, da werden auch im 21. Jahrhundert Inseln der Hoffnung entstehen können. Dies verlangt allerdings eine Öffnung der kleinen Gemeinden nach draußen. Damit ist nicht allein die ökumenische Perspektive gemeint, nach der Devise, dass geteiltes Leid nur noch halbes Leid sei. Nein, missionarisch kann nur heißen, endlich wieder die Menschen in den Blick zu nehmen, die um uns herum leben, Anteil an ihrem Leben zu nehmen und Gott in den Alltag zu bringen. Wenn nicht wir IHN verkünden und aus seinem Geist mit unseren Mitmenschen umgehen, wer dann?

Kirche wird in der modernen Gesellschaft nur noch als ein „Interessenverband“ unter anderen wahrgenommen, gilt als altbacken und wenig strahlkräftig. Das Salz scheint schal geworden zu sein. Bis in die Städte und Gemeinden hinein ist die Sichtbarkeit auf die Gebäude beschränkt, die meist geschlossen sind. Für außenstehende Beobachter findet Kirchenleben kaum noch statt. Die angstbestimmte und an Finanzproblemen orientierte Kirchenpolitik mit ihren Zusammenlegungen und Schließungen von Kirchen und Gemeinden und der Streichung diakonischer Projekte leistet ihren prekären Beitrag zum Verschwinden von Kirche in der Gesellschaft.
Andere springen ein und liefern den Menschen auf ihrer Suche nach Sinn und Bedeutung des Lebens neue Angebote, meist in leicht verdaulicher und marktschreierischer Form.

Missionarische Kirche in Bodenwerder, Eschershausen und Stadtoldendorf steht somit vor der Aufgabe, sichtbar zu machen, was uns antreibt und unserem Leben Sinn und Hoffnung gibt.
Einer Kirche, die geöffnet ist, die „fremde Besucher“ nicht argwöhnisch beobachtet sondern aufnimmt, in der Kinder und Jugendliche – so sie denn mal auftauchen – freundlich empfangen und ihre Unruhe mit Geduld ertragen wird, könnte Zukunft beschieden sein.

Die eigenen noch bestehenden Kreise öffnen, die Angst ablegen, dass andere alles ganz anders machen könnten, heißt Zukunft ermöglichen. Es kann nur „anders“ weitergehen, schließlich ist in unserer katholischen Kirche die „Wandlung“ das zentrale Glaubensmoment. Das gilt auch für die äußere Form von Kirche und Gemeinde!

Sichtbar machen, was uns antreibt: Wir kümmern uns um die ältere Generation; wir schicken mit den Sternsingern Boten der Hoffnung aus und teilen mit den Hungernden und Entrechteten in Afrika und Lateinamerika; wir zeigen zu Pfingsten und St. Martin das ökumenische Gesicht der Kirche vor Ort und überbrücken trennende Gräben; wir singen den Glauben in die Zeit hinein.
Auch zu den aktuellen Fragen örtlicher und „großer“ Politik müssen wir unsere Stimme erheben und Gerechtigkeit für die Armen, die Kinder und Alten, die Familien, für unsere Migranten einfordern, sowie auf die Bewahrung der Schöpfung Acht geben.

Beten
So sehr wir uns bemühen mögen, Kirche heute ein Gesicht zu verleihen, das ihr Zukunft und Beachtung gibt, wissen wir aber, dass all dies Nichts ist, wenn es nicht durch IHN gewirkt wird.

Es sind nicht unsere Leistungen und Fähigkeiten, sondern Gottes Werk, sein Wirken durch den Menschen, egal ob Laie oder Bischof. Jeder und Jedem hat er von den Charismen gegeben, sagt uns Paulus an, und wir sollen und dürfen diese Fähigkeiten einsetzen.

Weil wir um Gott als Urgrund unseres Lebens und Wirkens wissen, steht es uns gut an, IHN zu loben und zu preisen.
Und so kommt dem Gebet auch in der heutigen Zeit eine große Bedeutung zu, die allgemein unterschätzt wird. Nicht mit Aktionismus ist Kirche zu halten, sondern mit dem vertrauensvollen Bezugnehmen auf Gott durch seinen Sohn Jesus Christus, mit dem wir zu Gott im Gebet sprechen, unsere Anliegen immer wieder vortragen.

Dank und Klage, Freude und Not sollen wir IHM sagen, um seine Begleitung, seinen Segen bitten, dann wird geschehen, was er uns zugesagt hat. Das ist allerdings nicht immer das, was wir uns gerne vorstellen mögen. Das Reich Gottes wird nicht eine Fortsetzung des irdischen Daseins in paradiesischer Vollkommenheit sein, sondern anders, für uns nicht vorstellbar. Gottes Wille kann niemand manipulieren.
Aber wir dürfen uns darauf verlassen, dass ER uns liebt und weiß, was am Ende für uns richtig und wichtig ist.

Auch uns im 21. Jahrhundert gilt Jesu Wort:

Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.
Mt 28,20

Martin Pfeffer
Vorsitzender des Pfarrgemeinderat